Software und Kinderbücher
Mein Sohn ist gerade in der ersten „Ich will Bücher ansehen“-Phase seines Lebens. Seine Begeisterung hinterlässt aber teilweise deutliche Spuren an den literarischen Meisterwerken: Seiten werden mit Hingabe gerissen, gefaltet und gegessen. Unsere neueste Errungenschaft ist jetzt ein Buch mit dem Aufdruck UNKAPUTTBAR. Das ist mal eine Ansage.
Mich würde ja interessieren, wie es in der Testabteilung von Kinderbüchern aussieht. Haben die eine hauseigene Krabbelstube, die Langzeittests durchführt?
Während ich also zum 34. Mal „Bagger, Traktor, Feuerwehr“ vorlese, sinniere ich, welche Software das Attribut „UNKAPUTTBAR“ verdienen würde.
Medizin, Flugsicherung oder Raumfahrt – diese Branchen kommen dem Ziel vielleicht nahe, aber ganz fehlerfrei ist man nirgends. Bei Software, bei der es nicht um Leben und Tod geht, sind wir – so ehrlich will ich sein – meilenweit von unkaputtbar entfernt. Warum ist das so?
Gedankenexperiment: Wie viele Ideen haben Sie, ein Buch kaputt zu machen? Eltern haben üblicherweise noch 2-3 Ideen mehr, auf die man ohne Kinder nicht kommen würde. Aber finden Sie mehr als 10? Gleiche Frage, aber für das gern gescholtene Microsoft Teams, das in über 40 Sprachen übersetzt ist, mit allen Headsets und Mikrofonen funktionieren soll (die jederzeit verbunden oder getrennt werden können) und ausreichend Kapazität zur Verfügung stellen muss, um ad-hoc Konferenzen mit Teilnehmer:innen aus 24 unterschiedlichen Zeitzonen zu veranstalten: Wie viele Ideen?
Es wäre leicht, den Unkaputtbar-Gedanken mit folgender Erkenntnis zu beenden: Software ist viel komplexer als Bücher.
Stimmt, aber ich unterstelle unserer Branche, dass wir es teilweise aufgegeben haben, eine unkaputtbare Software bauen zu wollen. Es geht nicht darum, ein mathematisch beweisbares, fehlerfreies Produkt zu bauen, sondern um das Mindset:
- Testen wir destruktiv genug?
- Denken wir in Ruhe nach, wie wir die Software zerreißen können?
- Wollen wir selbst alle Fehler finden, oder vertrauen wir darauf, dass noch jemand anderer nach uns testet?
„Unkaputtbare Software“: Ich finde das einen spannenden Gedanken – aber mein Sohn hat gerade umgeblättert. Die Seite hält.